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In Friedrichstadt fühlt man sich ein wenig wie in einer Miniaturausgabe von Amsterdam, wenn man mit einem Boot auf den Grachten unterwegs ist.
Rund 20 Kilometer von Husum entfernt liegt das beschauliche Städtchen Friedrichstadt. Hier auf dem flachen Land der Nordseeküste in Schleswig-Holstein kannst Du Dich für einen Tag wie im 600 Kilometer entfernten Amsterdam fühlen. Häuser, Gassen und gar die Grachten findest Du hier in Friedrichstadt.
Wenn man Friedrichstadt besuchen möchte, sollte man im Groben die Geschichte der Stadt kennen. Deshalb folgt nun zuerst ein kurzer Geschichtlicher Abriss, bevor ich Dir erzähle, was Du so in Friedrichstadt machen kannst.
Wie aus Marschland Friedrichstadt entstand
Nein, Friedrichstadt ist keine “Erlebniswelt” in irgendeinem Freizeitpark oder so. Tatsächlich haben sich in der Geschichte einfach ein paar Umstände aneinander gereiht, die zu diesem einmaligen Kuriosum führten.
Herzog Adolph I. von Gottorf wollte dem damals schon wichtigen Hafen Hamburg etwas Konkurrenz machen und Hamburg als Zwischenhändler ausschalten. Vor allem suchte er nach Lösungen, um Getreideüberschüsse aus dem Anbau auf dem Marsch direkt vermarkten zu können. Seine Vision: Die Holländer Händler sollten auf ihrer Schiffsreise nach Spanien nicht in Hamburg, sondern hier bei ihm halt machen, um sein Getreide in Spanien verkaufen zu können und im Gegenzug an das kostbare Salz zu gelangen.
Dort, wo heute zwischen Treene und Eider Friedrichstadt liegt, war früher eben auch Marschland. Deshalb ließ Herzog Adolph I. von Gottorf im 16. Jahrhundert (1570) die wild fließende Treene mit künstlichen Dämmen kanalisieren und mit Hilfe von Sielen und Schleusen dieses Land entwässern. So entstand zwischen Eider und Treene eine künstliche Insel. Auf diesem Neuland sollte eine neue Stadt mit Hafen entstehen.
Die Idee der Stadt konnte erst Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorf im 17. Jahrhundert umsetzen. Dazu nutzte er die Gunst der Stunde und bot niederländischen Glaubensflüchtlingen das trockengelegte Land als Siedlungsplatz an. Zu jener Zeit war Holland unter Spanischer Herrschaft und somit wurde ihnen der calvinistische Glauben auferlegt. Da Holland aber schon ziemlich früh mit der Reformation protestantisch war, gab es viele Gläubige, die mit dem neuen Glauben nicht zurechtkamen. So kam es in Holland zu einer großen Flucht von Glaubensflüchtlingen, den Remonstranten.
Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorf warb bei diesen Glaubensflüchtlingen mit Land und weitgehender Religionsfreiheit. Zudem lockten auch Zoll- und Steuerfreiheit für zwanzig Jahre, freie Holzlieferungen, Darlehen, die Gründung einer Schiffsbaukompanie sowie das Markt- und Münzrecht. Das war für diese Zeit etwas absolut einzigartiges. Natürlich passierte all dies nicht ohne Hintergedanken. Die Holländer als Siedler und Gründer der neuen “Friedrichstadt” 1621 brachten viel Wissen über Wasserbau, Schifffahrt und den Handel mit. Alles beste Voraussetzungen, um eine Handelsstadt mit weltweiter Bedeutung zu werden.
Es entstand eine kleine, aber feine Stadt, die am Reißbrett geplant wurde. Sie wurde tatsächlich nach dem Amsterdamer Vorbild geplant. Bis heute ist der streng rechtwinklig angelegte Stadtkern mit seinen künstlich angelegten Kanälen und seinem kleinen Hafen so erhalten geblieben. Auch die typischen Treppengiebelhäuser, die bunten Hausmarken und die Kopfsteinpflaster Gassen erinnern stark an die Stadtgründer. Aus dem erhofften wirtschaftlichen (Welt) Erfolg wurde leider nichts. Auch weil schon bald nach Gründung der Stadt Friedrichstadt in Holland die Reformatoren wieder geduldet wurden und viele wieder in ihre Heimat zogen.
Man versuchte, dem Abzug noch mit einer weiteren Öffnung der Glaubensfreiheit in Friedrichstadt entgegenzuwirken. Jedoch erfolglos. Zeitweise lebten bis zu 2000 Einwohner in der Stadt, die bunt aus Katholiken, Mennoniten, Quäker, Zeugen Jehovas, Juden und zeitweise sogar aus bis zu 13 verschiedenen Glaubensrichtungen zusammengewürfelt waren, friedlich miteinander.
Bis heute findet man noch etliche Spuren dieser Religionsfreiheit. Rund 2700 Menschen leben heute in Friedrichstadt. Fünf aktive Glaubensgemeinschaften üben immer noch ihren Glauben aus. Die Remonstranten, die Lutheraner, die Mennoniten, die Katholiken und die dänischen Lutheraner.
Fun Facts:
– In Friedrichstadt findest Du auf dem Marktplatz nicht wie üblich eine große Hauptkirche. Da keine Glaubensgemeinschaft bevorzugt werden sollte, liegen alle Gotteshäuser in Nebenstraßen.
– Amtssprache war bis in die Mitte des 18 Jahrhunderts noch Niederländisch. Einige Glaubensgemeinschaften wie die Remonstranten predigten noch bis ins 19. Jahrhundert auf Holländisch. Heute wird alles in Deutsch gehalten. Lediglich das “Vater Unser” wird auch heute noch in Holländisch gesprochen.
Friedrichstadt entdecken
2021 feierte man 400 Jahre Friedrichstadt. Dazu wurde nochmals die ganze Stadt aufgehübscht. Bei Deinem Besuch wirst Du es auch selbst schnell merken. Friedrichstadt ist ein richtiges Kleinod. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Du in Friedrichstadt natürlich immer wieder an die Gründer erinnert wirst. In den Nebenstraßen wirst Du zwischen den Häusern die einzelnen Kirchen und Kapellen finden.
Ein Spaziergang durch die kleinen Gassen der „Holländische Stube“, wie Friedrichstadt auch gern genannt wird, ist wirklich lohnend.
Der Stadtmittelpunkt bildet natürlich der Marktplatz. Leider wird er zum Teil noch als Parkplatz genutzt. Das mindert etwas das Gesamtbild des Platzes. Ansonsten findet Freitag Vormittag hier der Markt statt.
Ein Kleinod ist die historische Marktpumpe von 1897.
Auch die Häuser rund um den großen, gepflasterten Marktplatz sind sehenswert. Vor allem die neun Kaufmannshäuser an der Westseite des Marktplatzes. Dieses Ensemble stammt noch aus der Zeit der Stadtgründung aus dem Jahr 1621. Auf dem Platz gibt es auch einige Lokale, die zum Essen einladen.
Vom zentralen Mittelburggraben geht einmal quer durch die Altstadt unter anderem die Prinzenstraße. Das ist die sogenannte Bummelmeile in Friedrichstadt. Hier und in einigen anderen Gassen findet man neben dem typischen Einzelhandel auch viele Boutiquen und Ateliers, in denen noch echtes Kunsthandwerk hergestellt wird.
Bei Deinem Streifzug durch die Gassen von “Klein Amsterdam” fallen Dir beim Blick auf die alten Häuser vielleicht auch die typischen Hausmarken auf. Sie zeigen noch heute, wer hier früher mal ursprünglich wohnte, oder welche Institution hier untergebracht war.
Vielleicht eines der Höhepunkte Deines Besuchs in Friedrichstadt wird eine Grachtenfahrt mit der Prinzen-Linie sein. Mit einem Flachboot machst Du eine besondere Stadtrundfahrt durch das “Holländerstädtchen”. Neben der Fahrt durch die Grachten erfährst Du hier nochmal einiges Interessantes aus erster Hand. Die Touren werden in der Regel von Ostern bis Oktober angeboten.
Wenn Du aber lieber selbst aktiv Friedrichstadt und die Treene auf dem Wasser erkunden möchtest, kannst Du das mit dem Kanu machen. Einen Kanu- und Bootsverleih gibt es direkt an der Kreisbahnbrücke unweit der Touristinformation am Marktplatz.
Ein besonderer Hingucker ist das “Schiefe Haus” Ecke Mittelburgwall und Westersielzug. Es ist ein Kaufmannshaus aus den Anfängen der Stadt und ist damit eines der ältesten erhaltenen Gebäude. Seine Schräge ist dabei durchaus beabsichtigt gewesen. Da im Dachboden Ware gelagert wurde und diese über den Flaschenzug im Westgiebel hochgezogen wurde, konnte man durch die Schräge vermeiden, dass die Ware an der Hauswand entlang scheuern konnte.
Als weiteres Zeugnis der ursprünglichen Bebauung der Stadt zeugt das Doppelgiebelhaus in der Prinzenstraße. Das Haus wurde kurz nach der Gründung 1624 erbaut und ist bis heute nahezu unverändert geblieben.
Hast Du viel Zeit mitgebracht, kannst Du natürlich auch hier auch ein Museum besuchen. Das Museum befindet sich in der “Alten Münze” am Mittelburggraben. Eine Prägeanstalt gab es hier allerdings nie. Dafür war das Gebäude schon alles Mögliche, vom Speicher über ein Gotteshaus bis zur Bibliothek. Heute kannst Du dort viel über die Entstehung und Geschichte der Stadt erfahren.
Solltest Du in Friedrichstadt Urlaub machen, kannst Du von hier aus tolle Ausflüge unternehmen. Zum Nordseestrand sind es gerade mal 12 Kilometer. Auch sehr sehenswert ist das 30 Kilometer entfernte Eidersperrwerk. Bei schlechtem Wetter und starkem Wind ist der Besuch dort sehr beeindruckend. Hier wird verhindert, dass die heftigen (Flut)Wellen der Nordsee in die Eider und ins Land gedrückt werden.
Und auch sonst eignet sich die Region rund um Friedrichstadt perfekt zum Radfahren und vor allem Wasserwandern auf der Eider und der Treene.
Ausflugsziele in der Umgebung
Friedrichstadt liegt ziemlich praktisch für tolle Ausflüge in die nähere Umgebung.
Nur etwa 30 Kilometer entfernt Richtung Nordsee steht das imposante Eidersperrwerk. Das Sperrwerk sperrt das Mündungsgebiet der Eider zur Nordsee hin ab. Damit dringen keine Gezeiten in die Eider. Bei Flut ist das Sperrwerk wirklich spannend. Hier windet es auch ganz schön.
Schleswig-Holstein mal ohne Meer gefällig? Wie wäre es dann zum Beispiel mit dem Grünen Binnenland? Rund um Tarp gibt es viel Grün, Windmühlen und die Flüsse Eider und Treene zu entdecken.
Mal einmal quer über die Spitze Schleswig-Holsteins? Von Friedrichstadt rüber an die Ostsee nach Eckernförde. Dieses ehemalige Fischerstädtchen bietet eine schöne belebte Innenstadt und einen wunderbaren Sandstrand.
Auch die Wikinger kann man hier oben erleben und anfassen. Im Wikingerdorf Haithabu bei Schleswig kannst Du erfahren wie die Wikinger hier oben einst gelebt haben.
Wie komme ich nach Friedrichstadt?
- Mit der Bahn
Der Bahnhof Friedrichstadt wird vom Regionalexpress 6 (RE 6) aus Richtung Sylt (ca. 1:30 h) und Richtung Hamburg (HH Altona direkt in 2 h und HH Hbf mit Umstieg in Elmshorn RE 70 in 2:15 h) angefahren.
Vom Bahnhof Friedrichstadt bis zum Marktplatz sind es rund 800 Meter zu Fuß. - Mit dem Auto
Von Hamburg kommend fährst Du auf der A23 Richtung Heide/Husum. In Heide endet die Autobahn und geht automatisch in die Bundesstraße B5 über. Nach Tönning geht es dann auf der B202 Richtung Friedrichstadt weiter. - Mit dem Wohnmobil
Auch für Wohnmobile und co gibt es hier ein Plätzchen. Direkt auf dem „Halbmond“ befindet sich der “Wohnmobilstellplatz Friedrichstadt”. Genau gegenüber liegt der “Eider und Treene Campingplatz”. Beide liegen nur rund 600 Meter vom Marktplatz entfernt. - Mit dem Boot
Du hast einen Bootsführerschein und ein Boot? Kein Problem. Dann mach eine Tour durch den Nord-Ostsee-Kanal (NOK) bis zur Eider. Am „Alten Hafen“ musst Du noch die Schleuse passieren, bevor Du dann Dein Boot in Friedrichstadt als Gastlieger festmachen kannst.